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Lock-in: Risiken und Prävention

Geschrieben von WIIT | Sep 13, 2024

Ein Lock-in entsteht, wenn sich ein Unternehmen so stark an einen bestimmten Provider oder dessen Technologien bindet, dass ein Wechsel zu einem anderen Provider zu einer kostspieligen Herausforderung wird. Unternehmen entscheiden sich häufig für innovative Lösungen mit niedrigen Einstiegskosten und hohem Serviceniveau, die vielversprechende Vorteile bieten. Um jedoch auch langfristig flexibel zu bleiben, sollten sie auch potenzielle Lock-in-Risiken in ihre Planung einbeziehen, um die Rentabilität und die strategische Ausrichtung zu optimieren.

 

Cloud Computing: die Entwicklung des Marktes

Eine Analyse der aktuellen Marktentwicklung zeigt, dass die Einführung von Cloud-Services einen regelrechten Boom ausgelöst hat. Cloud-Services von spezialisierten Providern bieten hohe Rechenleistung und nahezu unbegrenzte Skalierbarkeit. Dadurch haben sich Infrastructure-as-a-Service-Modelle in den letzten Jahren weit verbreitet. Laut Schätzungen von Grand View Research wird der weltweite Markt für Cloud-Computing-Services bis 2030 einen Umsatz von 2,39 Billionen US-Dollar erreichen, bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 21,8 %. Dieser rasche Anstieg der Nutzung und das damit verbundene Wachstum der Provider verstärken jedoch die Gefahr eines Lock-ins.

 

Cloud-Services: Machtverhältnisse im Ungleichgewicht

Die Migration von Daten in die Cloud ist ein komplexer Vorgang, der bei Unternehmen häufig Unsicherheiten in Bezug auf Eigentum, Extraktion und Übertragbarkeit von Daten hervorruft. Eine starke Bindung an einen Cloud-Provider kann dazu führen, dass Unternehmen in proprietären Systemen feststecken, was ihre Flexibilität einschränkt und die Umsetzung einer Exit-Strategie erheblich erschwert. Laut dem Marktforschungsunternehmen Gartner profitieren große Provider aufgrund der Strukturierung ihrer Abo-Modelle auch über die eigentliche Vertragslaufzeit hinaus finanziell von ihren Kunden. Diese Vertragsmodelle erschaffen ein Machtungleichgewicht und erhöhen das Risiko eines Lock-ins.

 

Die Grafik zeigt den Grad der Abhängigkeit, den europäische Unternehmen bei der Inanspruchnahme von Cloud-Computing-Services entwickelt haben. In Deutschland nutzten im Jahr 2023 knapp 50 Prozent der Unternehmen Cloud-Services. Davon waren mehr als 60 Prozent vom Technologieanbieter abhängig.

Quelle: Eurostat

 

Proprietäre Standards

Für Unternehmen kann es herausfordernd sein, eine mögliche Lock-in-Situation frühzeitig zu erkennen. Sie sollten insbesondere darauf achten, ob die Technologie, für die sie sich entscheiden, nur bei einem bestimmten Provider verfügbar ist. Wenn das der Fall ist, kann ein Providerwechsel dazu führen, dass ganze Anwendungen unter enormen finanziellen und organisatorischen Aufwand neu erstellt werden müssen. Dies kann die Vorteile von Cloud-Computing-Plattformen wie eine optimierte Zusammenarbeit, geringere Einstiegskosten, eine optimierte Business Continuity und eine flexible Skalierbarkeit mindern. Daher ist es entscheidend, im Voraus die Art der Cloud-Servicesund die zugrundeliegende Technologie der Dateninfrastruktur sorgfältig zu prüfen.

 

Wie können Unternehmen feststellen, wie abhängig sie von einem Provider sind?

Um das Maß der technologischen Abhängigkeit und die damit verbundenen Risiken eines Lock-ins zu bewerten, sollten Unternehmen folgende wesentliche Indikatoren berücksichtigen.

  • Service Level Agreements (SLAs) zur Gewährleistung der Business Continuity.
  • Datensouveränität
  • Skalierbarkeit innerhalb der Umgebung des Cloud-Providers
  • Integration der Anwendungen und Services mit dem System des Cloud-Providers
  • Komplexität und Kosten der Exit-Strategie
  • Kosten- und Nutzungsänderungen
  • Kompetenzen und Ausbildung des IT-Personals

Um einen Lock-in zu vermeiden, sollten Unternehmen folgende Aspekte beachten:

  • Proprietäre Standards vermeiden und auf eine kompatible Architektur setzen.
  • Abhängigkeiten prüfen und sicherstellen, dass die Integration in eine andere Umgebung möglich ist.
  • Migrationstools nutzen oder maßgeschneiderte Lösungen entwickeln, wenn keine Tools zur Verfügung stehen.
  • Kompetenzen im eigenen Haus entwickeln, um technologische Abhängigkeiten zu reduzieren.
  • Exklusive Funktionalitäten und Rabatte vermeiden und auf Open-Source-Technologie setzen.

 

Multi-Cloud, Containerisierung und Open-Source-Strategie

Eine effektive Methode, um einen Lock-in zu vermeiden, ist die Implementierung einer Multi-Cloud-Strategie. Sie erhöht die Flexibilität beim Management der IT-Infrastruktur, sichert ein hohes Maß an Ausfallsicherheit, ermöglicht die Nutzung von Ressourcen verschiedener Cloud-Provider und erweitert das Potenzial der Informationssysteme. Bei der Entwicklung einer Anwendung für Informationssysteme gewährleistet dieser Ansatz die Übertragbarkeit der Software und aller damit verbundenen Daten, beispielsweise bei einem Anbieterwechsel.

Bei der Containerisierung werden Anwendungen mit allen Komponenten „verpackt“, die Unternehmen für ihren Betrieb benötigen. Damit sind diese Anwendungen von allen Systemabhängigkeiten befreit und können leichter in andere Multi-Cloud-Umgebungen übertragen werden. Jede Cloud-Architektur, die auf Containerisierung setzt, reduziert das Risiko eines Lock-ins, kann es jedoch nicht vollständig ausschließen. Obwohl die Lösung so konzipiert ist, dass in „Repository Bunker“ gekapselte Anwendungen mit extremer Agilität und Flexibilität von einer Umgebung in eine andere migriert werden können, bleibt das Management einer Multi-Cloud-Umgebung mit Containern komplex. Sie kann schwer kalkulierbare Kosten mit sich bringen und ist mit einer gewissen Abhängigkeit von einem Provider verbunden.

Auch Open-Source-Softwares können Bestandteil einer optimalen Strategie sein. Sie bieten erhebliche Vorteile, da sie nicht an einen Cloud-Provider gebunden sind und geben den Unternehmen dadurch eine größere Flexibilität und Entscheidungsfreiheit.